Liebe Leserin, lieber Leser,
Am Freitag war ich bei der Einweihung eines großartigen diakonischen Projekts: In Ostfriesland wurde das „Schutzengelhuus Michael“ eingeweiht. Schwerkranke, teils intensivpflichtige Kinder werden dort aufgenommen. Manche sind nur kurz dort: Das Pflegeteam und die Eltern werden auf die Situation zuhause vorbereitet. Andere bleiben länger dort. Und andere sind dort, damit die Eltern und Geschwister mal Urlaub machen und wieder zu Kräften kommen können. Eine Versorgungslücke zwischen stationären und ambulanten Strukturen wird geschlossen.
In der Andacht, die ich dort halten durfte, legte ich ein Psalmwort aus:
Kinder sind eine Gabe des Herrn und Leibesfrucht ist ein Geschenk. (Psalm 127,3)
Ohne jede Bedingung wird Leben hier als Geschenk verstanden. Nicht „wenn, dann“, sondern ganz grundsätzlich. Ich habe den Eindruck, dass wir Heutigen uns manchmal schwertun, wenn dieses Geschenk nicht perfekt ist und auch Belastungen beinhaltet. Dann wird am Anfang und am Ende des Lebens oft überlegt, ob man es überhaupt haben will. Zurzeit wird im Bundestag über den rechtlichen Rahmen der Regelungen zur Abtreibung wie auch zum assistierten Suizid gerungen.
Es ist leicht, das zu beklagen – und auch billig. Damit Leben dann, wenn es schwer ist, getragen werden kann, braucht es Unterstützung und Begleitung, die dabei hilft, die mitträgt. Für Kinder eben ein „Schutzengelhuus“, bei schwerer Krankheit gute palliative Versorgung und Hospizstrukturen auch in der Altenhilfe. Das ist unsere Aufgabe als Gesellschaft dafür zu sorgen, dass solche Angebote in der Fläche vorhanden sind. Damit wir den biblischen Satz mit der „Gabe des Herrn“ und dem „Geschenk des Lebens“ hören können – und ihn bejahen können, ohne Angst zu haben, den Mund zu voll zu nehmen.
Ich wünsche Ihnen (und mir) für die schwere Zeit des Lebens, dass wir Menschen und Orte haben oder finden, die uns gut versorgen, uns Zuwendung schenken – und uns dabei helfen, auch das beeinträchtigte Leben als Geschenk und die Zeit als geschenkte Zeit begreifen zu können.
In diesem Sinn grüße ich Sie herzlich!
Ihr Hans-Joachim Lenke, Vorstandssprecher Diakonisches Werk in Niedersachsen